Lacertilea

Die Lacertilea (manchmal auch kurz „Lacertil“ genannt) haben anders als die anderen drei Stämme keine Haare, sondern eine Schuppige, ledrige, teilweise sogar stark verhornte und quasie gepanzerte Haut. Sehr wenige Exemplare haben auch vereinzelte Federn. Auch schmücken sich die Lacertil gerne mit fremden Federn, wobei der Federschmuck (aus den Federn von Vögeln und Greifen gemacht) teilweise so gut verarbeitet wird, dass nicht zu erkennen ist, ob die Federn am Träger wachsen oder „nur“ Schmuck sind. Die Lacertilea haben von allen Stämmen die grösste Variation in Aussehen und Statur. Es gibt sehr kleine Individuen, die ausgwachsen kaum mehr als 30 Zentimeter erreichen und extrem grosse, die bis zu 3,60 Meter lang und bis zu 800 Kilogramm schwer werden können (dann aber meist nie voll aufrecht gehen). Ihre Schuppen und Haut kann farblich stark variieren und praktisch alle Farben des Regenbogens annehmen und bei nicht wenigen Lacertil finden sich auch tatsächlich alle Regenborgenfarben auf dem Körper verteilt und bilden teilweise beeindruckende Muster. Dies wird noch dadurch gesteigert, dass die Lacertilea ein Tradition der Körperbemalung haben und meistens ohnehin nur wenig Kleidung tragen. Die Körperbemalung wird teilweise so kunstfertig aufgebracht, dass es Mitgliedern eines anderen Stammes unmöglich ist, zu sagen, welche Schuppen „natürlich“ gefärbt sind und welche angemalt.

Ausgehend von ihrer starken Viefalt ihre äussere Gestalt gibt eine Vielzahl von Untergruppen, von denen hier zunächst nur eine erwähnt werden soll: die Amblyr. Sie sind die einzige Untergruppe, die – wie die Castori – exzellente Schwimmer sind. Sie können deutlich länger den Atem anhalten als die Castori, schwimmen schneller und ernähren sich mit Vorliebe von Algen und anderen Wasserpflanzen, ja sie könnten sogar ganze Mahlzeiten unter Wasser einnehmen. Da sie selbst lange Aufenthalte im Wasser nicht fürchten, besiedeln die Amblyr auch jene Inseln, die noch vulkanisch aktiv sind und von den anderen Stämmen gemieden werden.

Die Lacertilea sind nicht wirklich wechselwarm, bevorzugen auf Grund ihres mangelnden Fells und der bereits erwähnten Vorliebe zu leichter Kleidung aber ganzjähirg warme Klimazonen. Und sie sind in warmen und heissen Klimazonen auch reaktionsschneller und kräftiger und haben weniger Appetit. Daher sind sie auch in den meist kühlen unterirdischen Metropolen der Murin eher selten zu sehen, es sei denn in tiefen Ebenen, die bereits von Lava und Magama geheizt werden.

Die wahre Meisterschaft der Lacertilea liegt aber im Denken. Zum einen werden sie fast doppelt so alt, wie die ältesten anderen Namensgeber, in Einzelfällen bis zu 200 Jahren. Dabei verlieren sie im Alter kaum an Denkkraft oder Erinnerungsvermögen, gewinnen aber kontinuierlich an Erfahrung und Wissen. Sie lieben die Schrift und Bücher und alles, was damit zu tun hat, auch wenn die Erfindung der Schrift unzweifelhaft den Hanun angerechnet werden darf. Die Lacertil haben die stark künstlerisch geprägte und schwer zu erlernende Schrift der Hanun aber sowohl für Lerner der Sprache, als auch für Leser, Schreiber und Drucker deutlich vereinfacht. Die Lacertil pflegen grosse Bibliotheken und die grossen geistes- und naturwissenschaftlichen Fortschritte der letzten 200 Jahre bilden (abgesehen von einigen Ingeieurs- und Handwerks-Leistungen, die den Murin zu verdanken sind) die Grundlage für den grossen Ruhm und das Ansehen, dass Lacertileanische Gelehrte und Wissenschaftler heute weltweit geniessen.

Ihre Spache – das Lacertin – hat sich in den letzten 1500 Jahren zur Weltsprache entwickelt und ist insbesondere unter Gebildeteren und Wohlhabenderen die Umgangssprache, wird inzwischen aber auch von vielen Bewohnern der grossen Metropolen in einer vereinfachten Form neben ihrer Muttersprache, sogar sogar als Muttersprache gesprochen.

Allerdings gelten die Lacertilea unter den anderen Namensgebern als „seltsam“, oder doch zumindest „schwierig“, denn ihre traditionellen sozialen Strukturen und Konventionen unterschieden sich teilweise erheblich von denen der anderen Namensgeber. Obwohl sie grosse Denker, Autoren und Leser sind (oder gerade deswegen; jenachdem wen man fragt) und auch sehr eloquent sein können, reden sie recht häufig doch nicht viel. „Man muss ja nicht immer reden.“ ist eine lacertiliansche Redensart, die – wie vieles in der Kultur der Lacertil – bereits ironisch und ironisch gebrochen ist. So kann es einem anderen Namensgeber beispielsweise passieren, dass er einem Lacertil eine Frage stellt, dieser zunächst auch den Eindruck macht, sich damit zu beschäftigen, aber nichts sagt, weil er die Antwort weiss und der Meinung ist, der Fragende könnte sie selber durch Nachdenken herausbekommen. Wenig überraschend sind viele Lacertil wenig empathisch, was sich auch auf andere Lebensbereiche niederschlägt. So gelten Lacertilea bereits mit 12 Jahren als Erwachsen und verlassen dann meist ohne grosse Wehmut von beiden Seiten schnell das Elternhaus und beginnen eine Phase des Reisens. (Amblyr verbringen dann mitunter bis zu 3 Jahre schwimmend auf See, ohne einmal das Land zu betreten.) Auch sonst sind die Bindungen zwischen einzelnen Lacertilea eher lose und wenn, dann durch gemeinsame Anstrengungen „für die Sache“ geprägt, wie den Bau oder Unterhalt eine Bibliothek.

Obschon sie nur wenig Kleidung tragen, messen sie diesem Wenigen doch grossen Wert bei. Sie weben ihre Stoffe aus der Fäden einer bestimmten Raupenart und färben die verschiedenen Stoffe in ebenso leuchtenden Farben, wie ihre Körper, dabei sind sie Meister darin komplexe geometrische oder figurative Muster in die Stoffe zu weben. Die fertigen Stoffe werden – gerade bei den wasserliebenden Gruppen – mit Bienewachs wasserabweisend gemacht und trocknen praktisch umgehend an der Luft. Ihr Stoffe gelten als die begehrtesten weltweit, nicht zuletzt, weil sie kaum exportiert werden, da mache Motive auch kulturelle Bedeutung haben. Die geringen Exporte und grosse Beliebheit gerade bei den wohlhabenderen Schichten haben dazu geführt, dass geschäftstüchtige Weber der Murin seit einigen Jahren günstigere Immitate herstellen und damit den Markt überfluten.

Und schliesslich muss noch eine Eigenschaft der Lacertilea erwähnt werden, die für sie gleichzeitig Anlass zu Stolz und Scham ist. Ihrem verkopften Dasein angemessen unterhalten sich Lacertilea mit Vorliebe mit Karten-, Würfel- und Brettspielen aller Art und praktisch alle heute weltweit beliebten Spiele haben ihren Ursprung in der lacertileanischen Kultur. Oft sind die Glückselement dabei entweder stark reduziert oder gleich ganz eliminiert. Aber auch und gerade die Glückselement haben unter den Lacertilea spezielle Freunde, um es mal freundlich auszudrücken. Da sich die Lacertil aus Geld und Besitz wenig machen und auf ihren Heimatinsel auch sonst wenig brauchen, wird üblicherweise nicht um Geld gespielt. Ein Sieg oder selbst eine „gut verlorene“ Partie sind ihnen Belohnung genug. Dennoch verfallen regelmässig einzelne Lacertilea auch der Sucht nach dem Spielen und widmen sich dann kaum noch etwas anderem.

Wenig überraschender Weise sind die lacertilianischen Spiele auch in den grossen Metropolen beliebt, wo die Wohlhabenden ihre Tage und Nächte damit zubringen. Der murinsche Drang, alles noch etwas besser zu machen hat auch vor den Spielen der Lacertilea nicht halt gemacht. Die Murin paarten die lacertileanischen Spielemechaniken mit ihrem eigenen Bewegungsdrang und adaptierten viele bekannte und beliebte Brettspiele als Feldsportarten, manchmal nur für zwei Spieler, aber inzwischen immer häufiger auch für Mannschaften. Für die erfolgreichsten dieser Sportspiele werden in den Metropolen inzwischen eigene Arnen gebaut und sie erfreuen sich weiterhin wachsender Beliebtheit, auch und gerade bei der nicht-so-wohlhabenden BEvölkerung, die einen Besuch in der Arena für kleines Geld in ihrer Freizeit geniessen.

Als vorerst letztes Wort zu den Lacertilea sei erwähnt, dass sie – tortz ihres grundsätzlich verkopften Kultur – grausame Krieger sein können, insbesondere wenn sie in tropischen oder subtropischen Klimazonen kämpfen. Ihr natürlich Panzerung schützt sie vor vielen Treffer, kleinere Individuen laufen so schnell, wie die schnellsten Hasir und jene Lacertil, die teilweise über eine halbe Tonne auf die Waage bringen sind praktisch unaufhaltbar, insbesondere, wenn sie sich noch zusätzlich in eine angemessen Panzerung kleiden. Sie kämpfen ohne Rücksicht, Gnade oder auch nur eine erkennbare Emotion. Vor allem anderen aber, scheinen sie im Kampf – anders als die Boviden, die ihnen an Kraft mitunter gleichkommen – keine Angst zu kennen und kämpfen bis zu Niederlage oder völligen Erschöpfung.


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